Zeit, dass sich was dreht.
Ich kaufe mir einen neuen Esstisch, neue Kopfhörer, eine Ski-Jacke... Ich nutze all diese Dinge unterschiedlich lang. Und wenn sie nichts mehr taugen, was dann? Was mach ich mit dem Esstisch mit Kratzern, oder den Kopfhörern, wo der Akku nicht mehr lange genug hält, oder der nicht mehr modischen Ski-Jacke? „Take-make-waste!“ - Unser jetziges Wirtschaftssystem verläuft linear, was so viel bedeutet wie, dass der Großteil der eingesetzten Ressourcen am Ende der Nutzungsdauer als Abfall verloren gehen. Bedeutet im schlimmsten Fall: das Holz meines Esstischs, das Plastik und die Metalle meiner Kopfhörer sowie die Textilien meiner Ski-Jacke werden am Ende ihrer Nutzungsdauer verbrannt. Wertvolle Ressourcen, die noch Verwendung finden könnten, gehen dabei verloren.
Wir entziehen der Erde immer weiter (endliche) Rohstoffe. Vor dem Hintergrund der Klimakrise und der Rohstoffknappheit ist dieses System nicht zukunftsfähig. Die negativen Auswirkungen unseres Konsumverhaltens auf das Ökosystem sind deutlich spürbar. Allein die Rohstoffgewinnung ist für mehr als 20 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich.
1. Was bedeutet Circular Economy?
Wir müssen umdenken. Und zwar so richtig.
Mit einem systemischen Ansatz. Dafür müssen wir zunächst verstehen: Alles ist miteinander verbunden. Wir brauchen ein regeneratives System mit dem Ziel, den Einsatz von Primärrohstoffen zu reduzieren. Und genau das strebt die Kreislaufwirtschaft (auch bekannt als: Circular Economy) an: aus Produkten am Ende ihrer Nutzungsdauer hochwertige Sekundärrohstoffe herzustellen, sodass Abfall möglichst vermieden wird.
Denn die Kreislaufwirtschaft ist DIE Strategie, die es uns ermöglicht die gesetzten Klimaziele aus Paris noch zu erreichen. Das System ist resilient, absolut zukunftsfähig und entlastet Natur und Umwelt der Abbaugebiete.
Angewendete Kreislaufwirtschaft hat gigantische Vorteile für Ihr Unternehmen, welche wir Ihnen nicht vorenthalten möchten:
Weltweit:
Der Trend wandert eher bergab, anstatt bergauf.
Die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen verursachen 90% des globalen Biodiversitätsverlust sowie 50% der weltweiten Treibhausgasemissionen. Nach dem Circularity Gap Report 2021 ist unsere derzeitige Wirtschaft nur zu 8.6% zirkulär. Und damit noch nicht genug, denn im Vergleich zu 2018 lag der Anteil der Kreislaufwirtschaft noch bei 9,1%.
EU-Ebene:
Die EU hat einige wenige Big Player Länder
Im Rahmen des Green Deals wurde dem Konzept der klimaneutralen Kreislaufwirtschaft eine tragende Rolle zugesprochen. Im Jahr 2020 konkretisierte die Europäische Kommission den Circular Economy Action Plan durch eine Fortschreibung. Innerhalb der EU ist die Wirtschaft im Durchschnitt zu 12,8% zirkulär. Hier ist ein leichter Aufwärtstrend im Vergleich zu den letzten Jahren erkennbar (2010 lag die Kreislaufwirtschaft noch bei 10,8%). Die Niederlande sitzt mit 30,9% an der Spitze, gefolgt von Belgien (23%) und Frankreich (22,2%).
Schaut man sich die verschiedenen erhobenen Materialarten an, wird schnell deutlich, dass das Material Metallerz am meisten zirkulär verwendet wird, wobei natürlich die fossilen Energieträger „in der Luft verpuffen“.
Deutschland
Deutschland ist nur im EU-Durchschnitt, unsere Industrie braucht MEHR! Auf nationaler Ebene existiert das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess), in der 3. Version. Die zweite Version des Programms verfasste allerdings Ziele, welche deutlich verfehlt wurden. Das Programm beschreibt Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffizienz entlang der Wertschöpfungskette.
Zwar hat Deutschland seit vielen Jahren bei bestimmten Stoffen eine hohe Recyclingrate (z.B. 82% bei graphischem Papier, 85% bei Behälterglas), ABER:
wichtige Elemente der Kreislaufwirtschaft, wie Abfallvermeidung oder Design for Recycling sind noch nicht ansatzweise in der Industrie umgesetzt und das Abfallaufkommen steigt sogar weiter an.
die aus dem Recyclingprozess erzeugten Outputmengen, also die tatsächlich nutzbaren Sekundärrohstoffe, werden in der Recyclingrate vernachlässigt. Realistisch betrachtet kommen die aktuellen Recyclingquoten somit eher Sammelquoten bei der Abfalltrennung gleich.
Deutschland liegt nach der Circular Material Use Rate, die den Anteil recycelter Materialien in Relation zum gesamten Rohstoffverbrauch setzt, mit 13,4% knapp über dem EU-Durchschnitt. Allerdings immer noch deutlich hinter den führenden Ländern wie der Niederlande (30,9%).
Ein zirkuläres Geschäftsmodell bedeutet nicht sofort, dass alles Bisherige komplett über den Haufen geworfen werden muss. Es gibt verschiedene Strategien für ein Unternehmen, um zirkulär zu handeln. Jedes Geschäftsmodell bietet dabei zirkuläre Anpassungsmöglichkeiten.
Einige Unternehmen betreiben so bereits erfolgreich Circular Economy und können positiven Wachstum deklarieren! Hier eine Übersicht:
Natürlich kann ein Geschäftsmodell aber auch vollständig revolutioniert werden, um Platz für eine von Grund auf neue Strategie zu liefern.
Ein Paradebeispiel ist das niederländische Label MUD Jeans, deren Geschäftsmodell zirkulär ausgerichtet ist. Sie wenden die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft auf die Produktion der Jeans an und können dadurch enorm viele Emissionen einsparen. Unter anderem nutzen sie recycelte Baumwolle, bieten eine Vermietung ihrer Textilien an und sammeln Jeans, die aus über 96% Baumwolle bestehen, um diese weiterzuverwenden. Einen ausführlichen Bericht, und eine Ökobilanz der Jeans finden Sie hier.
Aber nicht nur die Textilbranche bietet Inspiration, auch die Firma Linde, welche Industriegas vermietet. Oder das Unternehmen Hilti, welches Baustellen durch ein Werkzeug Mietmodell mit stets einsatzbereiten Geräten ausstattet. Der Vorteil: Reparatur- und Wartungsservice übernehmen die Hilti Fachleute.
Circular Economy scheint DIE Lösung für die Sicherung unserer Zukunft zu sein. Aber warum entwickelt sich diese Struktur nur so schleppend und mühsam? Warum gibt es einen weltweiten Abwärtstrend? Welche Herausforderungen hemmen die Entwicklung einer zirkulären Wirtschaft?
Aus Unternehmenssicht
Unternehmen brauchen Ressourcen, um neu zu gestalten, umzudenken und zu lernen. Die wohl größte Herausforderung für Unternehmen liegt in der Transformation ihres Geschäftsmodells hin zur Circular Economy. Denn zirkuläres wirtschaften bedeutet nicht einfach das Abfallmanagement zu erneuern, sondern grundlegend umzudenken und Supply Chain Modelle zu aktualisieren. Produzierende Unternehmen müssen Produkte von der Wiege bis zur Bahre neu durchdenken und gestalten.
Es muss eine Lernbereitschaft herrschen, um die Potentiale der Circular Economy wirksam im Unternehmen zu etablieren. Nur so kann sich die Qualifikation eines Unternehmens im Bereich Kreislaufwirtschaft steigern und Marktpositionierungen gestärkt und ausgebaut werden.
Hinzu kommt der Wettbewerb am Markt: Technische Innovationen können sich nur durchsetzen, wenn sie sich am Markt bewähren und lohnen. Dies zeigt die Kunststoffbranche (deutlich unter 20% Recyclingquote in Deutschland). Das ist oft erst durch politische Eingriffe, nicht allein durch den Markt, gegeben. Der Green Deal ist ein erster Schritt, den es nun gilt mit Leben zu füllen.
Die politische Perspektive
Nachhaltigkeit gewinnt in der Wirtschaftspolitik zwar immer mehr an Bedeutung und verfolgt das Ziel Ressourcen zu sichern. Aber auch hier muss ein Perspektivwechsel stattfinden: von der uns bekannten Abfallpolitik hin zu einer Kreislaufwirtschaft-Politik, um sich dann vollständig zu einer Circular Economy entwickeln zu können.
Bisher fehlen jegliche Regulierungsmaßnahmen und Anreize für Unternehmen sich zirkulär auszurichten.
5. Was ist zu tun? Eine ganzheitlich gedachte Transformation zu einer Circular Economy ist somit ein zentraler Baustein, um den Ressourcenverbrauch und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen drastisch zu verringern. Denn eine reine Fokussierung auf Effizienzmaßnahmen kann dazu führen, dass Ressourceneinsparungen zu Rebound-Effekten führen und einen höheren Ressourcenkonsum an anderer Stelle verursachen.
Vier Ansätze, die die Transformation von Produkt- und Geschäftsmodellen ermöglichen:
1. Schließung der Stoffkreisläufe
2. Steigerung der Produk- und Materialeffizienz
3. Verlängerung der Lebensdauer und effizientere Nutzung der Produkte
4. Substitution von Rohstoffen und Materialien
Unser Wirtschaftssystem kann mehr. Sie können mehr! Das Holz des Esstischs, die Elektronik der Kopfhörer und die Textilien der Ski-Jacke sollten am Ende ihrer 1. Nutzungsphase als solche, eine 2. Lebensphase beginnen oder die Ausgangsbasis eines völlig neuen Produkts sein.
Aber eins ist sicher: Kein Unternehmen kann allein ganzheitlich zirkulär werden!
Es braucht eine kluge Mischung aus Kommunikation, Austausch und Kooperation mit Handelspartnern und Mitbewerbern, um die Ansätze der Kreislaufwirtschaft verwirklichen zu können.
Seien Sie mutig und lernen Sie dazu, denn wie Albert Einstein schon damals erkannte:
„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
Sehen Sie Circular Economy als DAS Innovationsthema, und nutzen Sie die Chance so zum Vorreiter zu werden. Denn jedes Geschäftsmodell bietet Anknüpfungspunkte für zirkuläre Geschäftselemente. Finden Sie Ihre!
Wir denken Circular Economy bei unseren Thinking Circles immer mit und helfen Ihnen bei der Strategieentwicklung.
Sie haben Fragen? Ideen? Anregungen? Schreiben Sie uns und wir treten in Kontakt!
Eine erste kostenfreie Beratung bietet die Ellen MacArthur Foundation. Auch sehr zu empfehlen sind die kostenfreien Kurse des WWF rund um die Klimathematik.
Weitere spannenden Literatur und in diesem Text verwendete Quellen:
Datenbanken für Case-Studies
CircularX: Inspiration verschiedener Circular Business Model Ideen in verschieden organisationalen Kontexten
wbcsd: 8 Business Cases aus die zirkulär wirtschaften
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